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Lohnt sich nicht: "Dieser Schmerz ist nicht meiner"

Nachdem es erst ein paar Wochen bei mir herumlag, habe ich mir das Buch aus einem Impuls heraus gegriffen und versank in einen richten Leseflow - WOW! Das Thema hat mich gleich gecatcht, weil ich schon länger beobachtete, dass ich immer wieder in die gleichen Situationen kam, obwohl ich das nicht wollte. Ich befasse mich schon länger mit Ahnenenergie, Dramenvererbung, morphogenes Feld - die Ansätze des Autors hier waren vielversprechend. Dann wurde ich mit dem Lesen fertig und  blieb mit einer Frage zurück: "Was tun, wenn man keine Infos über Ahnen bekommt?" Die Blockadenauflösungen, die der Autor beschreibt, sind immer einfach: Person A hat ein Problem, kommt zu ihm in die Sprechstunde, dann beleuchtet man anhand der Schlüsselsätze die Ahnenreihe und findet prompt den/die Verursacher*in für die Blockade. Mal ist es der Onkel, der im Schneesturm umkam, mal war es der Bruder, der vor der eigenen Existenz verstarb und eine traumatisierte Mutter zurück ließ und über den nie gesprochen wurde. Eben weil nie über ihn gesprochen wurde, hat die heute betroffene Person mit unerklärlichen Blockaden zu tun. Aber woher weiß die Person dann von einem Bruder, über den doch nie geredet wurde?? Wie kann sie diesem Drama auf die Spur kommen, wenn doch immer darüber geschwiegen wird/wurde? Fragen über Fragen und ich finde das insgesamt sehr unlogisch... Mir war das irgendwann mal zu viel Hollywood: Glamouröse Geschichten, alle mit einem Happy End für die heute Betroffenen gespickt. Aber wie geht man eben damit um, wenn man keine so offensichtlich greifbaren Schicksalsschläge in der Ahnenreihe ausfindig machen kann? Wenn man eine Herkunftsfamilie hat, die konsequent schweigt, vielleicht auch verleugnet? Oder wenn die Personen, die Auskunft geben könnten, gar nicht mehr leben? Der Autor gibt hier den Hauch einer Hilfe, indem er mitteilt, dass man auch mit verstorbenen Personen Frieden machen könne. Aber er rückt nicht so recht mit der Sprache raus, wie man dieses Frieden-Machen schafft, wenn man schlicht und einfach im Dunkeln tappt und von seinen Ahnen eben keine Antwort bekommt. Dafür möchte ich gerne zwei Sterne abziehen, denn seine Bilderbuch-Dramenauflösungsszenarien helfen Betroffenen wie mir nicht weiter - ich beiße leider auf Granit und bekomme keine Antworten. Etwas zu viel Last wurde mir im Buch zudem auf die Schultern der Mütter gelegt, deshalb nochmal ein Stern Abzug. Folgt man dem Autor, könnte man meinen, dass Väter überhaupt nichts mit Traumata in der Kindheit zu tun haben. Nach dem Lesen dieses Buches war ich insgesamt erschüttert darüber, welch weite Kreise solche Ahnentraumen ziehen können und wie tief man darin gefangen ist, ohne es zu merken. Und nur mit viel Geschick und Strategie - oder mit dem richtigen US-Coach an der Seite - kann man sich daraus wieder mal befreien, vorausgesetzt, man kommt auf den Trichter der Ahnenenergie, die da im Hintergrund wirkt.

Insgesamt wirkt das Buch wie ein Selbsthilferatgeber, in dem der Autor seine eigene Geschichte verarbeitet hat. Seinen Lösungsansatz, der für ihn funktioniert haben mag, drückt er den Lesern förmlich auf und am Ende lässt er sie doch mit vielen Fragen alleine zurück. Es gibt auch im Anhang keine Übersicht über Coaches, die seine Methode in Deutschland praktizieren. Der Autor haut den Lesern also viel gefährliches Halbwissen um die Ohren, zählt seine zahlreichen Blockadenauflösungen, die wie ein Hollywoodstreifen klingen, auf. Man kann ihm das Traumaknacken nachtun mit Schlüsselsätzen, die er preis gibt. Aber sie sind einfach nicht auf jedes Einzelschicksal gemacht.

Ich bin seinem Rat gefolgt und habe meine Form des Vergebens definiert (laut Autor ist ohne Vergebung keine Heilung möglich...): Ich habe Bilder meiner Eltern aufgestellt (was ich noch nie getan hatte) und war kurzfristig der Meinung, es hätte eine heilsame Wirkung. Aber ich habe nur etwas imitiert - mehr war es nicht. Was für den Autor funktioniert hat, funktionierte für mich überhaupt nicht. Ich habe die Fotos wieder weggeräumt. Fühlt sich besser an. Vergebung ist nicht das Mittel, das mich weitergebracht hat. 

Insgesamt ist das Buch sehr hollywoodlastig und es ist mir ein Rätsel, warum es beim großen A so viele gute Bewertungen erhalten hat und beispielsweise auch "Meine Bibel" genannt wird. 

 

Ich kann nur einen von 5 Sternen geben. 

 

Mark Wolynn, "Dieser Schmerz ist nicht meiner - Wie wir uns mit dem seelischen Erbe unserer Familie aussöhnen", Verlag Kösel, ISBN: 978346554

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